Ganz in grün kommt sie daher die diesjährige IAA in Frankfurt. Gejagt von der Klimaschutz-Debatte kämpfen die Autobauer um ein sauberes Image und präsentieren Volk und Fachpublikum so viele Elektro-Modelle wie noch nie. Nützt das der Autobranche noch etwas?
Selbstbewusst, strahlend, oft schon ein wenig überheblich, ob Skandalen und Klimakrise – so kennt man die Autobosse auf Deutschlands bedeutendsten Automesse, der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt für gewöhnlich. Und im Jahr 2020? Weniger Aussteller, neue Formate, mehr Protest: Die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt werden härtere Tage für die Autobauer.
E-Mobile – 2019 stromt es auf der IAA
Noch nie war die Mobilitätswende hier so greifbar wie diesmal. Die Hersteller glänzen mit einer Fülle von alltagstauglichen serienreifen Stromern, die es bei der Reichweite mit den aktuellen Tesla-Modellen aufnehmen können.
Voll unter Spannung – Volkswagen und Porsche
Einer der größten Hingucker auf der IAA ist wohl der ID.3 von VW. Das erste Modell der neuen E-Generation der Wolfsburger gibt es für knapp 30.000 Euro – eine Preisgrenze, die endlich den Durchbruch bei Elektrofahrzeugen bringen soll. Deutlich teurer als der kompakte „Volksstromer“ ist das erste reine Elektro-Modell von Porsche, der Taycan, der ein paar Meter weiter steht. Kommendes Jahr soll er in den PZs stehen und deutlich am Tesla-Markt knabbern.
Opel und Mercedes – auch Blitz und Stern mögen Strom
Ebenfalls unter Strom gesetzt hat sich die Marke mit dem Blitz. Opel enthüllt auf der IAA die E-Version des Kleinwagens Corsa – mit beschaulichen 136 PS, die bei beschaulicher Fahrweise bis zu 330 Kilometer Reichweitebringen sollen. Eher Familientauglich zeigt sich Mercedes mit seinem Elektro-Van EQV. Der großräumige Stromer aus dem Ländle der V-Klasse schafft eine Reichweite von immerhin 400 Kilometer und soll – so die Vision – ab nächsten Jahr öfter auf Deutschlands Straßen zu sehen sein.
Ohne Strom läuft nichts – ist das jetzt die Mobilitätswende?
Nur vier Beispiele, die Deutschlands abgehängte Autobauer endlich der gelobten Mobilitätswende ein Stück näherbringen und den Startschuss in die emissionsfreie Zukunft bringen sollen. Im Übrigen nicht ganz freiwillig, denn die Vorgaben der EU zwingen die Hersteller dazu, massiv in batteriegetriebene Fahrzeuge zu investieren. Anders sind die Flotten-Grenzwerte von 60 Gramm CO2 je Kilometer – angesichts der sonstigen Fahrzeugpalette – gar nicht einzuhalten und künftige Strafzahlungen wohl kaum zu vermeiden.
Bis 2030 sollen gut sieben bis zehn Millionen E-Autos auf die Straße gehievt werden. Alleine binnen drei Jahren stecken die deutschen Hersteller und Zulieferer 40 Milliarden Euro in die Elektromobilität und verfünffachen ihr Angebot an E-Modellen auf 150 – gab VDA-Chef Bernhard Mattes unlängst zum Besten.
Realität ist anders – Deutsche lieben Ihre SUVs
Das alles kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf deutschen Straßen derzeit nur 200.000 von 47 Millionen Autos batteriegetrieben unterwegs sind – aktuell nur knapp jedes 50. neuzugelassene Fahrzeug. Stattdessen kaufen die Deutschen lieber SUVs und machten die Sportgeländewagen erstmals zum stärksten Segment in der Zulassungsstatistik – Klimaschutz-Debatte hin oder her.
Dies zwingt die Autohersteller hierzulande fast schon in ein Klimaschutz-Dilemma. Bislang versuchen sich die meisten Autobauer noch einer Zwei-Gleis-Strategie. BMW beispielsweise stellt in seinen Werken immer noch Diesel-, Benziner-, Hybrid- und E-Fahrzeuge her. Lediglich VW setzt künftig alles auf die E-Karte.
Und diese Sowohl-als-auch-Strategie zeigt sich auf der diesjährigen IAA. Neben der Flut an serienreifen E-Vehikeln präsentieren die Hersteller auch zahlreiche neue SUVs: Audi etwa den Q3, VW seinen T-Roc, Mercedes den GLB und, und, und. Doch selbst die aktuelle SUV-Welle wird Autojahr 2019 nicht mehr retten können – weltweit sinken die Absätze massiv, selbst in China, dem wichtigsten Markt. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen, prophezeit der Autoindustrie gar ihre größte Krise seit mehr als 20 Jahren.
Es war einmal – folgt die IAA bald der CEBIT?
Bleibt die Frage: Ist die IAA noch das international wichtigste Leitevent der Mobilität der Zukunft – wie es in deren Selbstpräsentation heißt? Angesichts eines umweltsensiblen Publikums und immer kritischeren Branchenexperten dürfte dies künftig immer schwieriger werden. Bereits heuer ist die Liste der Absagen lang: Mehr als 30 bekannte Namen fehlen – darunter alle Japaner bis auf Honda, die US-Hersteller mit Tesla, die führenden Anbieter aus Frankreich und Italien sowie diverse Luxushersteller.
Alles erinnert ein wenig an das letzte Jahr der CEBIT. Die einstmals weltgrößte Computer-Messe in Hannover kämpfte schon lang mit sinkenden Aussteller- und Besucherzahlen. Auch der Dreiklang aus Messe, Konferenz und Festival 2018 half hier nichts – 2019 war Schluss.