Neuer Geldsegen von der EZB, ein kritisches Aktienjahr, der erste Schuldenschnitt in Griechenland und ein weiter steigender Goldpreis: Auf der Weltfinanzbühne wird derzeit viel geboten. Was Investoren und Sparer in Österreich erwartet. Walter K. Eichelburg Interview.
Die Europäische Zentralbank (EZB) öffnete diese Woche erneut ihre Geldschleusen. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten können sich nun europäische Geschäftsbanken zum Niedrigzins von einem Prozent für drei Jahre unbegrenzt mit Liquidität eindecken. Damit geht die EZB ein immer höheres Risiko ein, um die Finanzmärkte zu stabilisieren und die Renditen von Staatsanleihen aus den hochverschuldeten Krisenstaaten der Euro-Zone zu drücken. Könnte die EZB nicht bald selbst in eine Schieflage kommen und Refinanzierungsbedarf haben? Das wäre dann definitiv ein Fall für die Steuerzahler.
Walter K. Eichelburg: Über 500 Mrd. hat Mario Draghi heute an die Banken, und indirekt an die Staaten verteilt. Nach einer ähnlichen Summe im Dezember besteht jetzt kein Zweifel mehr daran, dass man die Hyperinflation riskiert. Es sollen nur keine Bank und kein Staat untergehen. Man sieht ja auch, dass etwa Spanien nicht mehr sparen will. Vor einem deflationären Crash hat man viel mehr Angst als vor einer Hyperinflation, besser man hofft, dass dann die Sparer nicht sofort flüchten. Aber jedes Gelddrucken dieser Art führt einmal zur Flucht aus der Währung und damit zur Hyperinflation. Die EZB geht erst dann mit ihrer Währung unter.
Die griechische Regierung bietet Banken und privaten Gläubigern nun doch den „freiwilligen“ Schuldenschnitt an – inklusive Collective Action Clause, kurz CAC – also den Quasizwang widerspenstiger Gläubiger zum Forderungsverzicht. Die Frage aller Fragen: Kommt das weiß-blaue Wunder, der große Schuldenschnitt, auch für den kleinen Sparer?
Walter K. Eichelburg: Griechenland ist die grosse Ausnahme beim Gelddrucken, da will man mit diesen Rettungspaketen weitermachen – offenbar zur Gesichtswahrung oder so. Die Griechen brauchen mindestens eine 95-prozentige Entschuldung, der derzeitige 53-Prozent-Schnitt ist ein politischer Kompromiss, sonst nichts. Vor allem braucht Griechenland eine Währungsabwertung, d.h. den Austritt aus dem Euro. Die neue Drachme ist schon gedruckt. Die CAC ist eine Zwangsenteignung und damit ein Default-Ereignis. Die Commerzbank empfiehlt beim Bondtausch nicht mitzumachen, weil dieser so kompliziert ist. In Griechen-Bonds sollte man ohnehin nicht mehr sein.
In der Börsen-Rally seit Jahresbeginn droht ATX, Dax und Co. nun die Puste auszugehen. Nicht wenige Experten halten in den kommenden Wochen Korrekturen an den Börsen für überfällig. Bricht jetzt auch eine längere Fastenzeit an den Aktienmärkten an?
Walter K. Eichelburg: Einen richtigen Aktiencrash wird es erst dann geben, wenn es auch einen Bond- und Euro-Crash gibt. Aber mit Aktien ist derzeit ohnehin wenig zu holen.
Goldpreis: Kaum kratzt das gelbe Edelmetall in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres an der 1.800 Dollar-Grenze pro Feinunze, macht in der Presse vielerorts das Orakel vom neuen „Goldrausch“ seine Runde. Selbst die Berliner TAZ spricht in ihrem neuen Krisenglossar vom „Glänzenden Gold“, das Sicherheit böte, wenn das Geld baden gehe. Wird 2012 endlich das Jahr für wahre Gold-Bugs?
Walter K. Eichelburg: Ja, 2012 dürfte das Jahr der Gold-Bugs werden, denn alle Zentralbanken drucken wie wild Geld. Aber die Masse verkauft immer noch ihr Gold bei den Goldaufkäufern. Sie wird nicht versuchen hineinzugehen, bevor nicht der Goldpreis weit über 5.000 US-Dollar ist.
Zinsen meist unter Inflationsniveau bei Sparbuch, Tages- oder Festgeld, spekulationsgetriebene Aktienmärkte, zitternde Hände bei privater Pensionsvorsorge und Immobilienfonds: Ist Anlegen und Sparen – egal in welcher Form – für den Normalbürger mittlerweile unattraktiv geworden?
Walter K. Eichelburg: Die Jahre ab 2000 sind einfach keine Papierzeit, sondern eine Goldzeit. Die Zinsen werden zur Systemrettung auf Niedrigstwerte gedrückt, der Sparer kann bei einer realen Inflationsrate von um die zehn Prozent nur verlieren. Die enormen Scheinvermögen, hinter denen kein realer Wert, sondern nur faule Kredite sind, werden abgebaut. Derzeit per Inflation, dann wenn die Sparerschafe deswegen zu flüchten versuchen, per Währungsreform mit Haircut. Am Ende werden alle, die diese Zeichen der Zeit nicht erkennen, so arm sein wie etwa um 1950.
Deutsche Privatanleger scheinen derzeit wie gelähmt. Zwar fürchtet die Mehrheit eine weiter steigende Inflation – doch ihr Anlageverhalten ändern nur wenige. Wie reagieren Österreichs Sparer auf die aktuelle Krisenlage?
Walter K. Eichelburg: Die Deutschen sind noch die „Besseren“ im Vergleich etwa zu Franzosen oder Spaniern. Sie sind viel kritischer bei Inflation aber trotzdem wagen nur wenige radikale Schritte wie die Umschichtung auf Gold, was ein grosser Fehler ist. Die Österreicher tun auch sehr wenig.
Der Nationalratswahlkampf in Österreich hat offenbar begonnen. Interessiert verfolgt man nicht nur im noch vom Präsidialtheater verwöhnten Deutschland die Auswüchse rund um das neue „große Strukturreformpaket“ – sprich Sparpaket. Was wird am Ende davon übrigbleiben und wird die politische Landschaft Österreichs nach der nächsten Nationalratswahl neu gemischt?
Walter K. Eichelburg: Sowohl in Österreich wie in Deutschland fliessen immer noch „Milch und Honig“ – etwa im Vergleich zu Griechenland oder Spanien. Daher ist laut einer Insider-Info mit einer Nationalratswahl in Österreich noch vor dem Sommer zu rechnen. Denn dann werden nicht mehr Milch und Honig fliessen, SPÖ und ÖVP fürchten deshalb ein massives Erstarken der FPÖ. Der Wahltermin wird plötzlich kommen.