Das Drama der deutschen Bausparkassen

„Auf diese Steine können Sie bauen“ – „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ – „Am 31.12. ist Wüstenrot-Tag“. Kommt Ihnen bekannt vor, aber lange nicht mehr gehört? Kein Wunder!

In Deutschland wird so viel gebaut, wie seit 25 Jahren nichtt mehr. Doch die Musterbranche, die jahrzehntelang für den Traum von den eigenen vier Wänden stand, profitiert kaum vom Boom. Ganz im Gegenteil: Die Bausparkassen ächzen unter den niedrigen Zinsen. Bei manchen Anbietern sind die operativen Zahlen inzwischen tiefrot – etwa bei der großen BHW oder auch bei kleineren Anbietern wie der Aachener Bausparkasse.

Jetzt geht es nun ans Eingemachte

Und das heißt konkret: an ein Vehikel, das sich „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ (kurz: FtbA) nennt. Es ist eine Art Sicherheitspolster für schlechte Zeiten. Ein Blick auf die Zahlen ist erschreckend: Ende 2014 weist der FtbA noch über 2,2 Milliarden Euro aus. Ende 2016, das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen, waren es nur noch 1,3 Milliarden Euro.

Zu einzelnen Anbietern äußert sich das Finanzministerium zwar nicht. Allerdings lassen sich die Zahlen aus den Geschäftsberichten herauslesen, die in den vergangenen Wochen nach und nach im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden. Allein Schwäbisch-Hall hat demnach vergangenes Jahr 350 Millionen Euro aus dem FtbA entnommen. Bei Wüstenrot waren es 82 Millionen Euro, bei der BHW 68 Millionen Euro. Der Fonds, so scheint es, wird momentan regelrecht geplündert. Doch was hat das zu bedeuten?

Notfallfonds der Bausparkassen – in drei Jahren nahezu halbiert

Der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung stammt aus den frühen 90ern, also aus einer Zeit, als im Fernsehen tatsächlich noch die „Auf diese Steine“-Spots liefen. Um die Gründung des Fonds zu verstehen, muss man sich die Tücken des klassischen Bausparmodells vergegenwärtigen. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich noch in der Ansparphase befinden – und auf der anderen jene, die ihren Kredit abrufen wollen. Wenn die zweite Gruppe zu stark wächst, werden irgendwann die Mittel knapp. Genau für solche Phasen hat man damals den Fonds gebildet. Quasi als eine Art Puffer.

Hätten wir doch die Sorgen von einst

Denn aus Sicht der Bausparkassen rufen nicht etwa zu viele Menschen ihre Kredite ab – sondern zu wenige. Bei Banken und Sparkassen gibt es langfristige Hypothekenkredite inzwischen für zwei Prozent und weniger. Wer braucht da noch die klassische Bausparkasse? Es ist sogar so, dass viele Bausparer einfach weitersparen. Kein Wunder: Die Altverträge werden immer noch üppig verzinst. Entsprechend sitzen viele Kunden sie einfach aus. Das ist auch der Grund, warum etliche Anbieter vor zwei, drei Jahren angefangen hatten, bestimmte Verträge einfach zu kündigen. Der Bundesgerichtshof hat diese umstrittene Praxis im Februar zum Entsetzen von Verbraucherschützern für grundsätzlich rechtens erklärt.

Neues Bausparkassengesetz seit 2015

Der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung sollte jetzt nicht mehr nur die Zuteilung reifer Bausparverträge garantieren, sondern auch zur „Sicherung kollektiv bedingter Erträge“ herhalten. Was genau mit dieser Formulierung gemeint ist? Schwer zu sagen. Offensichtlich ist aber, was viele Bausparkassen aus dieser Formulierung machen: Sie sind augenscheinlich gewillt, den über viele Jahre hinweg gebildeten Puffer schnellstmöglich abzuschmelzen, um mit dem Geld das Eigenkapital zu stärken und zum Teil offenbar auch die Ertragszahlen aufzuhübschen. So wurde zum Beispiel bei der BHW aus den 2016 aufgelösten 68,5 Millionen Euro gleich mal ein „sonstiger betrieblicher Ertrag“. Das sei handelsrechtlich geboten, sagte ein Sprecher.

Früher war Bausparen ein Volkssport. Die niedrigen Bauzinsen haben das vverändert. Nun beginnen Deutschlands Bausparkassen, einen milliardenschweren Notfonds zu plündern.

Die Gelder aus dem Fonds zur bauspartechnischen Absicherung stehen eigentlich den Bausparern zu. Stattdessen führt das neue Gesetzt nun dazu, diese Mittel großzügig zu den Eigentümern umzuverteilen und zur Gewinnmaximierung zu nutzen. Der Verband der Privaten Bausparkassen sieht das naturgemäß anders. Er sagt, die Fondsmittel stünden den Bausparern nur insofern zu, als sie dem Schutz der Bauspargemeinschaft als Ganzes dienen. Seit der Novellierung des Bauspargesetzes könne das Geld darum auch zur Risikoabwehr in einer Niedrigzinsphase eingesetzt werden.

Fondsmittel stützen Kapitalbasis

Als Notfallmaßnahme sogar gerechtfertigt, wenn die Eigentümer vorher auch einen entsprechenden Beitrag leisten würden. Es gibt aber auch Fälle, bei denen man nicht unbedingt vermuten würde, dass es allein um eine Risikoabwehr geht. Schwäbisch Hall zum Beispiel hat vergangenes Jahr mit 60 Millionen Euro aus dem FbtA die Ertragslage aufgebessert – und schüttet gleichzeitig 18 Millionen Euro an ihren Mutterkonzern aus, die genossenschaftliche DZ-Bank. Ein direkter Zusammenhang zwischen den Bilanzpositionen wird allerding bestritten. Die Vermutung, dass Mittel aus dem Fonds zur bauspartechnischen Absicherung entnommen würden, um eine Ausschüttung vorzunehmen, sei eben falsch. Ein ähnliches Muster wie bei Schwäbisch Hall zeigt sich bei der LBS Südwest und bei der Deutschen Bank Bauspar.

Etwas anders ist der Fall bei der Wüstenrot gelagert. Die begründet ihren 82 Millionen Euro tiefen Griff in den Notfonds laut Geschäftsbericht unter anderem damit, den weiteren Wachstumspfad sichern zu wollen. Die Stärkung des Eigenkapitals ermögliche das Wachstum in der Baufinanzierung und stabilisiert somit die Bausparkassen im Sinne des Gesetzes.

Letztlich geht es doch um den Schutz der Kunden! Oder der doch um die Stärkung der Anbieter eines Produkts, das seine besten Jahre längst hinter sich haben? Gut möglich, dass bei diesem Tempo der Sicherungsfonds in nicht all zu ferner Zeit leer ist …

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