Nähert man sich diesem Citroen SM mag man kaum glauben, dass er schon 1970 gebaut worden ist. Er passt in jede Zeit und wird niemals als altbacken auffallen. Die Front wird von einer Lichtskulptur geprägt – unter einem chromeingefassten Plexiglasband sitzen die Scheinwerfer, die Blinker und das Nummernschild.
Von Jörg Zinsmeister
Keine Einbuchtung, keine Sicke durchbricht die wie mit einem Messer aus Ton geschnittene Front. Die Motorhaube wird durchbrochen von einer einzelnen Kante in der Mitte, die im Verbund mit der langen Motorhaube das Vorwärtsdrängen des SM unterstreicht. Die schmale Buglinie die nach hinten in eine von einer Sicke durchtrennten Heckflosse übergeht und auch das Hinterrad nahezu verdeckt, gibt dem Fahrzeug von der Seite die Anmutung eines Rennbootes. Das Heck prägt eine Lichtkuppel unter dem in einem breiten glattflächigen chromgefassten Rand die Rückleuchten sitzen. Links und rechts lugen keck zwei chromierte Auspuffrohre ins Freie.
Beam me up Scottie
Das innere würde auch einem Raumschiff aus einer fernen Galaxy zur Ehre gereichen. Futuristisch, edle von einzelnen Rippen durchteilte Ledersitze, die grazil dennoch komfortabel und fest sind. Ein zarter fast schüchtern aus der Mittelkonsole herauswachsender Schalthebel. Die Bremse der berühmt-berüchtigte Puck von Citroen, der erst nach einer langen Eingewöhnung ein sanftes Entschleunigen zulässt. Wie ein Renndromedar sich auf seine vier Füße hebt die Hydropneumatik die Karosserie nach dem Start sanft an, noch blubbert der V6 artig im Leerlauf und hält seine Stimme zurück.
Morgenmuffel
Nach einem beherzten Tritt auf das Gas erwacht die Maschine mit ihren 180 PS aus 6-Zylindern und tut durch ihr Kreischen und Fauchen kund, das sie ein Morgenmuffel ist. Diese Motorcharakteristik legt offen, aus welchem Elternhaus dieses Kind stammt. Es kommt aus dem Haus Maserati und in den frühen Siebzigern hielt Citroen 60 % an dieser Automarke.
Die komplexe Mechanik und die Diffizilität dieser Maschine in Wartung und Unterhalt sorgten dafür, dass der SM nur 5 Jahre gebaut wurde. In den Anfangsjahren fand sich in Deutschland niemand, der das Fahrzeug reparieren konnte. Es mussten Spezialisten aus England eingeflogen werden.
Götterdämmerung
Nach dem Übergang von Citroen in den PSA-Konzern verschwand er rasch aus den Verkaufskatalogen. Mehr noch – die letzten Rohkarossen wurden eiligst verschrottet. Traurig für alle, die gerne einen hätten. Gut für die, die einen haben. Denn der Wert der letzten Überlebenden bleibt so stabil. Insgesamt hat der SM auch sein Scherflein zum schlechten Ruf und mangelnden Zuverlässigkeit der Citroen beigetragen – Undank ist der Weltenlohn und Mut wird selten belohnt.
Nizza und Maranello
Selten hat sich jemand soweit aus dem Fenster gelehnt, ein so bizarres Fahrzeug gebaut und das Beste aus zwei Welten Frankreich und Italien – Nizza und Maranello – unter eine Blechhaut gepackt. Bewundernd und anerkennend erhält er vom „Auto Motor und Sport“-Tester Reinhard Seiffert die deutsche Seligsprechung: „Der SM bietet ein Maximum an Perfektion. Man kann nicht sagen, dass er in der Summe seiner Qualitäten den Mercedes 600 übertrifft, aber als Spitzenprodukt des Welt-Automobilbaus ist er ihm zur Seite zu stellen.“ Das macht seine Faszination und seinen hohen Zeitwert aus. Gerade in einer drögen Autozeit, in der nur noch ganz wenige Hersteller Mut beweisen, neue Wege beschreiten und sich etwas trauen. Oder wie einstmals Lancia Ingenieurskunst und Genie über den bloßen Kaufmannswillen stellten.
Effizienz, Umwelt, Elektronik und Assistenz – nie war Auto fahren so smooth und nie so langweilig. So kann man den SM auch als Mahnmal und als Erinnerung daran sehen, was Autofahren einst war und was es sein kann – ein Genuss- und Suchtmittel. Nicht ohne Grund wird SM oftmals auch mit Sa Majesté übersetzt… Das sagt alles. Punkt.